20.01.2022
Totgesagte leben länger – die HOAI gilt zwischen Privaten fort!
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 18.01.2022 – Rs. C-261/20
auf die Vorlage des BGH entschieden, dass ein nationales Gericht, bei
dem ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sich ausschließlich
Privatpersonen gegenüberstehen, nicht allein aufgrund des Unionsrechts
verpflichtet sei, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die
unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der
Dienstleistungsrichtlinie Mindesthonorare für die Leistungen von
Architekten und Ingenieuren festsetzt und die Unwirksamkeit von
Vereinbarungen vorsieht, die von dieser Regelung abweichen. Die
nationalen Gerichte seien grundsätzlich verpflichtet, wegen des Vorrangs
des Unionsrechts, europarechtswidrige Bestimmungen des nationalen
Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis heraus nicht anzuwenden. Etwas
anderes gelte nur, wenn die europarechtlichen Vorgaben keine
unmittelbare Wirkung hätten. Dies sei vorliegend nicht anzunehmen.
Allerdings würde die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 der
Dienstleistungsrichtlinie im Ausgangsrechtsstreit dem Kläger das Recht
nehmen, ein Honorar in der Höhe einzufordern, die dem in den fraglichen
nationalen Vorschriften vorgesehenen Mindestsatz entspricht. Die
Rechtsprechung des Gerichtshofs schließe aus, dass dieser Bestimmung im
Rahmen eines solchen Rechtsstreits zwischen Privaten eine solche Wirkung
zuerkannt werden könne.
Die geschädigte Partei könne sich unbeschadet dessen auf die
Rechtsprechung des Gerichtshofs berufen, um gegebenenfalls vom Staat den
Ersatz eines durch diese Unvereinbarkeit entstandenen Schadens zu
erlangen.