12.07.2022

Claudia Pechstein mit Deubner & Kirchberg vor BVerfG erfolgreich

Claudia Pechstein ist Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin. Sie nahm im Februar 2009 an einer Mehrkampfweltmeisterschaft ihrer Sportart teil. Mit ihrer Wettkampfmeldung musste sie eine Schiedsvereinbarung zugunsten des Internationalen Sportgerichtshofs in Lausanne („CAS“) unterzeichnen. Ohne Unterzeichnung wäre sie zu dem Wettkampf nicht zugelassen worden.

Aufgrund der Erhöhung bestimmter Blutwerte von Frau Pechstein entnommenen Blutproben sperrte die Disziplinarkommission des Sportverbandes die Beschwerdeführerin wegen unerlaubten Blutdopings für zwei Jahre. Seit dem Jahr 2009 geht Frau Pechstein mit viel Stehvermögen gegen diese Entscheidung vor.

In dem Ausgangsverfahren vor den deutschen Zivilgerichten machte Frau Pechstein unter anderem Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen zwei Sportverbände geltend, die gegen sie die Dopingsperre verhängt und umgesetzt hatten. Der Bundesgerichtshof hielt die Klage von Frau Pechstein wegen der zugunsten des CAS vereinbarten Schiedsklausel für unzulässig.

Gegen diese Entscheidung des BGH erhob Frau Pechstein mit Deubner & Kirchberg Verfassungsbeschwerde. Mit Beschluss vom 03.06.2022 (1 BvR 2103/16) hat das BVerfG der Verfassungsbeschwerde nunmehr stattgegeben und das Urteil des BGH aufgehoben. Das BVerfG folgte der Argumentation von Deubner & Kirchberg und führt aus:

Ein Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten durch Abschluss einer Schiedsvereinbarung im Bereich des Sports sei nicht uneingeschränkt möglich. Mit der gesetzlichen Anerkennung privater Schiedsgerichtsbarkeit eröffne der Staat dem rechtssuchenden Bürger eine alternative, nicht-staatliche Möglichkeit der verbindlichen Streitbeilegung. Damit der Staat schiedsrichterliche Entscheidungen anerkennen und in Ausübung seiner Hoheitsgewalt vollstrecken könne, müsse er aber dafür Sorge tragen, dass das schiedsrichterliche Verfahren effektiven Rechtsschutz gewährleistet und rechtsstaatlichen Mindeststandards entspricht.

Diese Mindeststandards sieht das BVerfG im vorliegenden Fall der Sportgerichtsbarkeit als nicht gegeben an, zumal es keine tatsächliche Wahlfreiheit in Bezug auf die Schiedsabrede gebe. Die gebotenen Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des von der konkreten Schiedsabrede erfassten schiedsrichterlichen Verfahrens könnten nicht ohne Ansehung der tatsächlichen Wahlfreiheit des der Schiedsabrede Unterworfenen beurteilt werden. Hat einer der beiden Vertragspartner ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehre.

Frau Pechstein wurde vor dem BVerfG von Prof. Dr. Christian Kirchberg vertreten.

Deubner & Kirchberg ist unter anderem im Verfassungsrecht tätig. Die Kanzlei berät regelmäßig zu europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Fragestellungen und tritt insbesondere vor dem EGMR, dem Bundesverfassungsgericht und den Landesverfassungsgerichten auf. Neben dem Schwerpunkt im Parteienrecht und der Parteienfinanzierung wird die Kanzlei auch bei Individualbeschwerden von Personen und Unternehmen tätig, die sich in ihren Grund- oder Menschenrechten verletzt sehen.