16.12.2020 BVerfG zieht Amtshaftung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr in Betracht – Fall „Kundus“
Mit seinem am 16.12.2020 veröffentlichten Beschluss vom 18.11.2020 (2 BvR 477/17) hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die zivilgerichtliche Versagung von Amtshaftungsansprüchen gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Luftangriffs von September 2009 in Kunduz (Afghanistan) richtet, nicht zur Entscheidung angenommen. Bei dem Luftangriff, der von einem Oberst der Bundeswehr angeordnet worden war, wurden zahlreiche Zivilisten getötet oder verletzt. Der Beschwerdeführer erhob – in allen Instanzen erfolglos – Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland als Angehöriger von bei dem Luftangriff getöteten Opfern und machte Amtshaftungsansprüche geltend.
Das BVerfG zog zwar die Auffassung des Bundesgerichthofs in Zweifel, soweit dieser generell Amtshaftungsansprüche als Folge von Auslandseinsätzen verneint hat. Insoweit habe der Bundesgerichtshof Bedeutung und Tragweite der Grundrechte möglicherweise verkannt, da eine Bindung aller deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte bestehe – auch für Handlungen im Ausland. Dies könne aber letztlich offen bleiben, da der Bundesgerichtshof verfassungsrechtlich beanstandungsfrei im konkreten Fall eine Amtspflichtverletzung verneint habe.
Die bisherige „Doktrin“, dass ausschließlich Staaten als originäre Völkerrechtssubjekte Ersatzansprüche wegen (behaupteter) Kriegsverbrechen gegen andere Staaten geltend machen können, scheint nach dieser Entscheidung nicht mehr haltbar zu sein.
Prof. Dr. Christian Kirchberg hat den Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.
DEUBNER & KIRCHBERG ist unter anderem im Verfassungsrecht tätig. Die Kanzlei berät regelmäßig zu europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Fragestellungen und tritt insbesondere vor dem EGMR, dem Bundesverfassungsgericht und den Landesverfassungsgerichten auf. Neben dem Schwerpunkt im Parteienrecht und der Parteienfinanzierung wird die Kanzlei auch bei Individualbeschwerden von Personen und Unternehmen tätig, die sich in ihren Grund- oder Menschenrechten verletzt sehen.